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6 Wochen altes Auto „kein Neuwagen“ mehr

Eine Entscheidung des OLG-Hamm (Az. 9 U 5/18 OLG Hamm) zu der Frage, ob ein 6 Wochen altes Auto noch als „Neuwagen“ gewertet werden darf.

 

 

 

Was ist denn jetzt ein „Neuwagen“?

 

 

 

Fall (vereinfacht und leicht verändert):

 

Der Kläger fordert von dem Beklagten weiteren Schadensersatz für sein Porsche. Der Kläger rechnet auf „Neuwagenbasis“ ab. Die Beklagte hingegen hält eine Abrechnung auf „Widerbeschaffungswert-Basis“ für richtig.

 

 

 

Das OLG gibt dem Beklagten Recht.

 

 

 

Begründung:

 

 „1. Der Senat hält die Berufung der Klägerin einstimmig für aussichtslos. Das Landgericht ist zunächst in – ausweislich der Begründung seiner Entscheidung auch keineswegs schematisch, vielmehr sehr wohl unter Auseinandersetzung mit der klägerischen Auffassung erfolgter – Anwendung der von der höchst- und obergerichtlichen Rechtsprechung hierzu aufgestellten Grundsätze (diese unter „eigene Stellungnahme dargestellt“) völlig zu Recht davon ausgegangen, dass die Klägerin vorliegend den ihr unfallbedingt entstandenen Fahrzeugschaden nicht auf Neuwagenbasis abrechnen kann. Dabei kann letztlich offen bleiben, ob hier eine insoweit grundsätzlich hinreichend erhebliche Beschädigung des Fahrzeugs vorliegt. Nach einstimmiger Auffassung des Senats kann auch unter Berücksichtigung der weiteren technischen Entwicklung und nach heutiger wirtschaftlicher Verkehrsanschauung ein Fahrzeug, das zum Unfallzeitpunkt bereits knapp 3300 km gefahren wurde und bereits über 6 Wochen zugelassen war, jedenfalls nicht mehr als Neuwagen angesehen werden, bei dem ausnahmsweise im Falle einer erheblichen Beschädigung bei der Berechnung des ersatzfähigen Schadens auch der „Schmelz der Neuwertigkeit“ zugunsten des Geschädigten zu Buche schlagen kann. Ein Blick auf den Markt von sehr jungen Gebrauchtwagen bzw. Fahrzeugen mit Tageszulassung auch im hochpreisigen Fahrzeugsegment bestärkt den Senat in dieser Würdigung. Die Klägerin ist vorliegend bereits auf Wiederbeschaffungsaufwandsbasis entschädigt worden, hat also im Wege des Schadensersatzes die Mittel zur Beschaffung eines mit dem beschädigten Fahrzeug vergleichbaren unfallfreien Fahrzeugs erhalten. Der Senat vermag einstimmig keinen Grund zu erkennen, warum der Klägerin hier darüber hinaus ein Anspruch auf Ersatz der Kosten der Anschaffung eines höherwertigen Neufahrzeuges zustehen sollte, zumal es sich vorliegend um ein Firmenfahrzeug handelt. Ferner sieht der Senat – ebenfalls einstimmig – keinen Anlass, die aus Gründen der Rechtssicherheit von der Rechtsprechung sinnvollerweise entwickelten Faustregeln zur gebotenen engen Begrenzung der Ausnahmefälle, in denen der Schaden auf Neuwagenbasis abgerechnet werden kann, generell in Frage zu stellen und deshalb etwa die Revision zuzulassen.“

 

 

 

Eigene Stellungnahme:

 

Nach der Rechtsprechung liegt ein Neuwagen vor, wenn

 

1.    Der Geschädigte schafft tatsächlich ein gleichwertiges fabrikneues Fahrzeug an (BGH NJW 09, 3022)

 

2.    KfZ zum Unfallzeitpunkt nicht mehr als 1.000 Km gefahren (BGH NJW 09, 3022);

 

Ausnahmsweise bis 3.000 Km ausdehnbar (BGH NW 82, 433), wobei Abschlag von 1-1,5 % des Neupreises bei je angefangenem 1.000 Km (BGH NJW 83, 2694)

 

3.    Erstzulassung liegt max. 1 Monat zurück

 

 

 

Nur wenn diese Voraussetzungen ALLE vorliegen, darf im Grunde auf Neuwagenbasis abgerechnet werden.

 

Formel:  Brutto Neuwagenpreis (minus) netto Restwert = Betrag, den der Geschädigte erhält

 

 

 

Liegen die Voraussetzungen für einen Neuwagen nicht vor, so wird im Grunde auf Wiederbeschaffungswert-Basis  abgerechnet.


Formel: Wiederbeschaffungswert (minus) netto Restwert à Betrag, den der Geschädigte erhält (auch    Widerbeschaffungsaufwand genannt)

 

 

Hat der Geschädigte ein Fahrzeug angeschafft, so ist der Wiederbeschaffungswert in Brutto von Bedeutung. Ansonsten der Nettobetrag.

 

 

So versteht sich, dass der Neuwagenwert höher liegen wird als der Wiederbeschaffungswert, sodass im Ergebnis der Geschädigte mehr Geld bekommen würde.

 

 

 

Gemäßen an diesen Voraussetzungen fügt sich die Entscheidung des OLG Hamm dieser Formel. Denn das Fahrzeug war bereits mehr als 3.000 Km gefahren und schon deutlich über der 3.000 Km Grenze sowie länger als einen Monat erstzugelassen.

 

 

 

Praxishinweis:

 

 

 

Den Wiederbeschaffungswert sowie den Restwert ermittelt natürlich ein Sachverständiger. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass der Regionale Markt von Bedeutung ist. Manche Versicherungen versuchen den Restwert oben zu halten, damit Sie im Ergebnis wenig zahlen. Hierfür bieten Sie Restwertvergleiche an, die bundesweit ermittelt wurden.

 

 

Ist das beschädigte Fahrzeug nicht bereits verkauft und der Gegner schlägt einen guten Restwert samt potenziellen Käufer vor, so sollte dieses Angebot angenommen werden. Den Mehraufwand trägt natürlich der Gegner. Ist das Fahrzeug bereits für einen regional richtig festgesetzten Betrag auf Eigenregie verkauft, so spielt dieser Wert als Restwert eine Rolle und nicht das Angebot der gegnerischen Versicherung.

 

 

 

Diese Informationen sollen den ersten kleinen Einblick verschaffen. Alles in einem Beitrag zu schildern ist nicht möglich. Jeder Fall ist wieder anders.

 

 

Dr. Ramazan Efe

(Rechtsanwalt) 

 

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